Das „Wozu“ der Eingangsfrage beinhaltet zwei Aspekte: a) Warum muss ein Übersetzer überhaupt ermächtigt sein? Geht’s nicht ohne? Und b): Was darf ein ermächtigter Übersetzer tun, also wozu ist er berechtigt?
Frage a) ist im Grunde schnell beantwortet: Ja, man kann auch ohne Ermächtigung Übersetzungen anfertigen. Ein Übersetzer muss nicht einmal ein entsprechendes Fachstudium haben, um diese Bezeichnung führen zu dürfen. „Übersetzer“ ist nämlich kein geschützter Beruf. Er steht im Grunde allen offen, die sich dazu „berufen“ fühlen. Wer jedoch ein mehrjähriges Studium an einer einschlägigen Hochschule absolviert hat, ist berechtigt, den Titel „Diplom-Übersetzer(in)“ zu tragen und wird dies zur Unterscheidung von den Quereinsteigern auch sicher tun. Spätestens, wenn es aber um die Ermächtigung geht, trennt sich die Spreu gänzlich vom Weizen.
Als angestellte Übersetzerin kam ich erstmals in den Kontakt mit Privatkunden, die Dokumente wie Geburtsurkunde, Ehefähigkeitszeugnis, Sterbeurkunde, Führerschein, Schulzeugnis oder Scheidungsurteil übersetzen lassen wollten. Längst hatte ich genug Erfahrung, um solche Dokumente selbst übersetzen zu können, aber stets mussten meine „Werke“ noch geprüft, gestempelt und unterschrieben werden. Und das dürfen nur Kolleginnen und Kollegen tun, die bei einem Oberlandesgericht ermächtigt sind, denn bei den vorgenannten Schriftstücken kommt es auf höchste Akkuratesse, Richtigkeit und Vollständigkeit an, da sie oft über den weiteren Werdegang von Menschen entscheiden und die Übersetzung der Dokumente einen ähnlich urkundlichen Status hat wie das Original.
Da ich meine Erfahrung mit Arbeitsproben belegen und ein Universitätsdiplom vorweisen konnte, versuchte ich, ebenfalls die Ermächtigung zu beantragen. Mit dem Ergänzungsfach „Technik“ kam ich dabei leider nicht weit. Die Ermächtigung von Übersetzern ist Ländersache und wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich streng gehandhabt. Bei allen Justizbehörden ist aber mittlerweile bekannt, dass ein Übersetzer, der Dokumente mit urkundlichem Charakter übersetzt, profunde Fachkenntnisse der jeweiligen Materie und des deutschen Rechtssystem haben sollte. Ich hatte vor einigen Jahren bereits ein berufsbegleitendes Zweistudium mit den Schwerpunktfächern Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Jura absolviert. In den Rechtskursen besprachen und lösten wir Fälle mithilfe des Bürgerlichen Gesetzbuches und erhielten Einblicke in das Handels-, Gesellschafts- und Verwaltungsrecht. Zur Auffrischung und Erweiterung meiner Rechtskenntnisse belegte ich beim Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ e. V.) dennoch eine juristische Fortbildung. In zwei viertägigen Seminarblöcken erhielt ich bei Fachreferenten aus der juristischen Praxis einen guten Überblick über die Rechtsgebiete Zivilrecht, Sachenrecht, Zivilprozessrecht, BGB, HGB, Familienrecht, Verwaltungsrecht, Ausländer- und Asylrecht, Strafprozessrecht, Materielles Strafrecht, Haft- und Betäubungsmittelrecht. Nach Abschluss der Seminarblöcke arbeitete ich mich im Selbststudium durch die umfangreichen Skripte und belegte das Repetitorium, das mich auf die mehrstündige Abschlussprüfung vorbereitete. Mit der Bescheinigung über die bestandene Prüfung sowie weiteren Unterlagen beantragte ich beim OLG Köln die Ermächtigung und darf nun Übersetzungen in meinen Studiensprachen Spanisch und Französisch nicht nur anfertigen, sondern auch beglaubigen.
Und damit ist auch Frage b) beantwortet: Bei Gericht ermächtigte Übersetzer verfügen über eine juristische Zusatzqualifikation und bestätigen mit Stempel und Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit von Übersetzungen (d. h. die Übertragung von schriftlichen Inhalten von einer Sprache in die andere), insbesondere im Falle von Dokumenten mit urkundlichem Charakter.